… Richtung Norden. Besser Nordosten. In mehreren Tagesetappen wollen wir bis zu den Victoriafällen fahren. Durch den Caprivistreifen. Das ist immer noch Namibia. Ein schmaler fast 500 Kilometer langer Korridor, im Norden begrenzt von Angola, im Süden von Botswana.
Ihr spinnt! Das habe ich Leute sagen hören und denken sehen, denen ich davon erzählt habe. Zweieinhalb Wochen Namibia und jeden Tag woanders. Da seht ihr doch gar nichts, wenn ihr so durchs Land rast. Nun, das wird sich noch zeigen.
Das Tagesziel ist Rundu. Von Grootfontein aus führt eine Schnur von Straße dorthin. Ein paar Autos und Lastwagen sind daran aufgefädelt, sonst nichts. Keine Stadt, kein Dorf, kein einzelnes Haus, kein gar nichts. Es gibt nur Landschaft. Eine Monet-Landschaft, europäisch sommerlich mit hohen Gräsern und hohen Wolken, die genauso in Burgund liegen könnte. Auf den ersten 150 Kilometern geht das so. Dann beleben sich die Straßenränder und wir kommen ins richtige Afrika. Oder doch in ein anderes. Das man kennt. Und dennoch bis jetzt nie kennen gelernt hat. Langgezogene Dörfer. Die Menschen wohnen in runden Strohhütten, kreisförmig angeordnet.
Es ist Mittagszeit. Schulschluss. Mädels und Jungs aller Altersstufen sind auf dem Heimweg. In Gruppen oder zu zweit, große Jungs, kleine Jungs, große Mädels, junge Frauen. Sie tragen alle blaue Schuluniformen und Schultaschen in unterschiedlichen Farben auf dem Rücken. Sie lassen die Arme baumeln, ihre Hände sind alle frei, keine hält ein Handy. Keiner von ihnen ist dick, es gibt keine dicken Kinder hier, nur dicke Bäume.
Unsere Unterkunft, die Hakusembe River Lodge, liegt direkt am Okavango. Von unserer Hütte aus kann man über den Fluss nach Angola hinübersehen. Die Luft ein Dampfbad, als wir aussteigen. Geregnet hat es nach der Auskunft des Hotelpagen aber schon seit Wochen nicht mehr. Das Hochwasser, das der Okavango führt, hat er von weiter oben aus Angola mitgebracht. Während wir am Pool relaxen, leistet sich der Himmel ein Grummeln; aus dunklen Wolken fallen zwei, drei Tropfen. Später kommt die Sonne wieder.
Die abendliche Fahrt auf dem Okavango ist ein Muss. Samt Birdwatching, (diverse Kingsfisher, Bienenfresser, Hornvögel, Egrits, große Reiher) und obligatorischem Sundowner. Der Kapitän richtet die Bar auf dem Boot für uns, zu essen gibt es Knabberzeug. Mit dem Sonnenuntergang ist es wie gehabt: Als die Sonne vorzeitig hinter dicken Gewitterwolken verschwindet, denkst du, na, da wird nichts draus, das Theater fällt aus, dann aber kriecht das Sonnchen doch wieder hervor und ehe du dich versiehst, glüht der ganze Westhimmel mitsamt den Wattewolken und verdoppelt sich im Wasser.
Kaum sind wir wieder an Land, beginnen die Frösche mit ihrem Konzert – nach Buschmannart klicken sie wie die Radiosprecher, die wir morgens in einem namibischen Sender im Auto gehört haben. Und endlich gibt es den legendären Sternenhimmel, den der Vollmond seit unserer Ankunft mit seinem Licht gelöscht hatte.
In der Nacht Wetterleuchten und Hundegebell von drüben aus Angola.