Fast vier Monate sind vergangen seit dem letzten Eintrag in mein Corona-Tagebuch. Gestern habe ich es wieder hervorgekramt und aufgeschlagen. Das rapide Steigen der Fallzahlen um über 1000 auf 4200 Neuinfektionen binnen eines Tages am Mittwoch, 07. Oktober, bedeutete einen Einschnitt. Spätestens jetzt musste jedem klar sein: Corona meldet sich zurück. Bis jetzt haben wir in Deutschland Schwein gehabt. Während rings um uns her in den Nachbarländern die Fallzahlen in exorbitante Höhen schnellten, schien das Virus um Deutschland einen rätselhaften Bogen zu machen, weshalb auch immer. Damit ist es nun vorbei. Den dritten Tag in Folge gibt es weit über 4000 Neuinfektionen, Tendenz steigend. Also schreibe ich wieder. Hinter mir liegt ein atemberaubend schöner Sommer, von dem ich vorher nicht zu träumen gewagt hätte. Wir haben gelernt, mit dem Virus zu leben, und ich fand die „Einschränkungen“, die mir persönlich abverlangt wurden und werden, minimal im Verhältnis zu ihrer positiven Wirkung. An das Masketragen habe ich mich gewöhnt, von Anfang an war ich auf der Suche nach schönen oder wenigstens nach bunten Masken, entschlossen aus dem Zwang ein Hobby, gar ein Label zu machen. Mittlerweile besitze ich fast 2 Dutzend. Auch das Abstandhalten fiel mir nicht schwer und Großveranstaltungen waren eh noch nie mein Ding. Vor allem aber war es unter diesen Umständen möglich, zu reisen – und DAS WAR mein Ding. Ich war in Südtirol, in der Schweiz, der Bretagne, in Burgund und sogar in Paris – und hier entsetzt, wie viele Menschen ohne Maske in der Metro unterwegs waren. Nur wenige Tage nach meiner Abreise von dort wurde Paris denn auch Risikogebiet, was mich nicht verwundern konnte. Im Nachhinein kommt einem die Möglichkeit zu reisen und die relative sorglose Sicherheit, in der wir uns im Sommer wiegen durften, fast vor wie ein Traum. Die Situation nicht nur in Deutschland hatte sich teilweise so entspannt, dass man Corona zeitweise fast vergessen hatte – und sogar schon Pläne für Herbst- und Winterzeit machte: Für ein Familientreffen in Dinkelsbühl und den Geburtstag des Vaters im Dezember, den wir vielleicht doch mit einer Anzahl Gäste feiern könnten. Dies rückt mit den jetzigen neuen Entwicklungen wieder in die Ferne; niemand weiß, was in zwei Monaten ist. Und gibt es nicht Wichtigeres als eine Geburtstagsfeier, auch wenn es ein Neunzigster ist? Ich hoffe so sehr, dass die Kulturszene, insbesondere die Musikbranche, die gerade wieder anfing, Boden unter die Füße zu bekommen, weitermachen kann. Ich bin froh, dass ich noch „rechtzeitig“ eine Konfirmandenfreizeit mit 17 Leuten und drei Konfirmationen in kleinen Gruppen über die Bühne bringen konnte – während die Corona-Einschläge bereits näher kamen. Mittlerweile habe ich mich auch zum ersten Mal testen lassen und dabei die Erfahrung gemacht, wie hoch die Hürden dafür sind. Von wegen einfach auf den Wasen fahren und einen Abstrich machen lassen und ein paar Stunden später hast du das Ergebnis! Nein, das geht alles nur mit Voranmeldung und Überweisung und für bestimmte Bevölkerungsgruppen und am Wochenende ist tote Hose, auch telefonisch landet man ausschließlich auf Anrufbeantwortern oder in Endlosschleifen. Die Gesundheitsämter scheinen heillos überfordert, so dass man sich die ratlose Frage stellt, wieso es nicht gelang, den Sommer zu nutzen, um sich auf die vorhersehbare Situation jetzt vorzubereiten.