„Mister Netanjahu, tear down this wall!“
Jerusalem, Klappe die Zweite. Mit drei Kolleginnen noch einmal in die unheilige Heilige Stadt gefahren, von Ramallah aus mit den Öffentlichen auf eigene Faust.
So gut wie nichts gegessen, kaum geschrieben, viel geschnuppert, noch mehr gesehen, alles erlebt. Der Tag war das Tüpfelchen auf dem I. Ein Abenteuer.
Gegessen: Zwei Schnitze Grapefruit, zwei Bissen Reiswaffel, einen Fallafel, eine Guave (riecht noch besser, als sie schmeckt.)
Geschrieben nur Stichworte ins Handy.
Geschnuppert: Brot, Curcuma, Kreuzkümmel, Koriander, Weihrauch, Narde, Moschus, Kaffee, alle Düfte Arabiens.
Gesehen: die Mauer mit einem Konterfei von Yasir Arafat. Soldaten mit Gewehren. Den Ölberg mit seinen uralten Olivenbäumen und vom Ölberg aus das Stadtpanorama samt jüdischem Friedhof, Stadtmauer und Goldener Felsendomkuppel. Die Davidstadt, das ausgegrabene alte Jerusalem. Die Domitio-Abtei. Das jüdische Viertel und ihre Bewohnerinnen und Bewohner, mit und ohne Kippa, mit und ohne Schläfenlocken, mit und ohne Hut. Gesehen: Die Grabkirche mit dem „echten“ Golgatha-Felsen, auf dem Jesus gekreuzigt wurde. Alle Kirchen sind ebenso wie nach oben auch nach unten gebaut, man steigt hinab in die Vergangenheit und kann sich darin verlaufen. Gesehen: den Tempelbezirk mit Al Aqsa Moschee und Felsendom. Das wunderbare friedliche Blaugrün der Mosaike unter Himmelblau und Kuppelgold.
Erlebt: Das Theater am Checkpoint. Soldaten steigen in unseren Linienbus und wollen unsere Pässe sehen. Schrecksekunde, als sie auch das Visum verlangen. Wo ist mein Visum? Ein Fresszettel, klein wie ein Kassenbon, reiner Zufall, dass ich ihn aufgehoben habe. Hinter dem Checkpoint müssen wir in einen anderen Bus umsteigen.
Erlebt ansonsten: Frieden. Ein bisschen wenigstens. Genug, um durch den Tag zu kommen. Diesen Tag in Jerusalem, diesem Schmelztiegel der Kulturen und Religionen, in dem alles aufeinandertrifft und sich bricht wie in einem Brennglas. Die Praxis geht an der Theorie vorbei – haarscharf, aber immerhin. Die Menschen leben, nicht miteinander aber zusammen, sie leben in verschiedenen Vierteln zwar, aber es geht. Alle kaufen bei allen, sie beten, sie lachen, sie fahren im gleichen Bus. Auf der Straße, in den Gassen kommt man aneinander vorbei, ohne aufeinander loszugehen, ohne eine Faust ins Gesicht zu kriegen. Die Kalaschnikows werden „spazieren“getragen, aber nicht gezückt.
Heute gab es keine Toten in Jerusalem. Es gab keinen Anschlag, niemand lief Amok. Es ging – irgendwie. Ist das nun viel? Oder wenig? Ist das Glas halb voll oder halb leer?
Letzter Abend in Ramallah. Erntedankfest in der Anglikanischen Partnergemeinde. Gottesdienst, dann Essen, ein letztes Mal Gespräche. Bunter Abend. Es wird gespielt, dreimal darfst du raten, was: Die Reise nach Jerusalem.
Und das wars dann von mir aus Israel. Shalom. Salam. Und schukran – danke fürs Lesen und Mitreisen!